Ehrliches Engagement oder bloßer Aktivismus?

Eine Masterarbeit untersucht die Motive Ehrenamtlicher am Lighthouse Welcome Center® . Es ist noch keine zwei Jahre alt – und doch gilt das Lighthouse Welcome Center® , das die Innere Mission, der Verein Lichterkette und Invild Goetz Philanthropy gemeinsam betreiben, als weit über München hinausweisendes Leuchtturmprojekt. Ein Artikel von Klaus Honigschnabel. Steht das kleine Holzhaus unmittelbar vor dem Eingang zur Bayern-Kaserne doch für die herzliche Willkommenskultur, mit der Flüchtlinge hier empfangen werden. Mehr als 130 Ehrenamtliche arbeiten bei dem Projekt mit: Sie hören sich die Sorgen und Nöte der Ankommenden an, geben ihnen wichtige Informationen oder auch mal einen Becher Kaffee – und sind für Fragen der Anwohner da.

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Autorin der Masterarbeit Julia Meindl

Julia Meindl, Studentin der Kulturwissenschaften an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität, hat nun in ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Willkommen in der Bayernkaserne! – Ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge aus Sicht der Engagierten“ die Erwartungen und Motive der Helfenden sowie deren Einstellungen gegenüber den Geflüchteten und den Umgang mit ihnen untersucht. Für ihre Arbeit mit rund 300 Seiten, die sie am Institut für Interkulturelle Kommunikation bei Professor Alois Moosmüller einreichte, bekam die 28-Jährige übrigens eine glatte Eins.

Tropfen auf den heißen Stein?

Nach der ausgiebigen Klärung der Forschungsfelder Ehrenamtliches Engagement und Flucht / Asyl sowie der methodischen Vorgehensweise bilden sechs, teilweise mehrstündige Interviews den Hauptteil der Arbeit. In ihnen spürt Meindl unter anderem den Beweggründen der Ehrenamtlichen nach. Das Kapitel „Selbstreflektion der Ehrenamtlichen“ leitet sie anhand eines Zitats von Matthias Weinzierl, Mitarbeiter beim Bayerischen Flüchtlingsrat, ein: „Stimmt meine Idee und mein Ansatz, mein Aktivismus, mein Umgang oder such ich eigentlich nur geeignete Komparsen für meinen großformatigen Ego-Film?“

Die Ergebnisse fallen natürlich je nach Interviewpartner unterschiedlich aus. Während sich die einen schon mal selbstkritisch fragen, ob sie „eher Kaffeekocher sind oder Informant, eher Animateur als Berater“, fühlt sich eine 41-jährige Kommunikationsdesignerin im Lighthouse „genau am richtigen Platz“. Die oft anstrengende Arbeit werde dann auch nicht mehr als Arbeit empfunden, sondern als Freizeit.

Auch wenn die Tätigkeit hin und wieder als „Tropfen auf den heißen Stein“ empfunden werde, mache sie dennoch Hoffnung: Anders als die Behördenvertreter, die für einzelne Flüchtlinge oft kaum Zeit haben, könnten die Ehrenamtlichen zuhören, ihnen dadurch Selbstbewusstsein geben und damit wenigstens für einen Moment dazu beitragen, sie vom Leben in der tristen Unterkunft abzulenken. „Jedes Lächeln ist für mich ein Glücksmoment. Jedes Lächeln, jedes Mal, wenn Du irgendwas gibst und wenn es nur ein Kaffee, ein Keks oder ein Kuli ist.“

Häufiges Antriebsmoment der Helfenden ist es, das bewusst anders zu gestalten, was offizielle staatliche Behörden und Politiker vermissen lassen. Einige wollen einen konkreten kleinen Beitrag leisten, um die Welt zu verbessern; die meisten erleben durch ihre Tätigkeit, dass sich ihr Horizont deutlich erweitert. Gerne machen es alle – sonst wäre die Schar der Ehrenamtlichen am Lighthouse wohl kaum so groß.

They treat you with respect. They treat people well – Zitat eines Geflüchteten

Dennoch gelangen die Ehrenamtlichen bei der Arbeit immer wieder an Grenzen ihrer Toleranz oder erleben interkulturelle Differenzen, weshalb Julia Meindl ein vorsichtig kritisches Fazit zieht: So notwendig und sinnvoll die Einbeziehung Ehrenamtlicher in die Flüchtlingsarbeit auch ist, so wichtig sei es, „eine Ehrenamtskultur sowie ein Freiwilligenmanagement zu schaffen und interkulturelle Bildungsangebote zu konzipieren, damit der Einsatz dieses wachsenden sozialen Kapitals weiter optimiert werden kann“. Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen führten zudem nicht automatisch zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypen oder zu mehr Toleranz, „sondern können im Gegenteil durch interkulturelle Missverständnisse oder Irritationen die ablehnenden Einstellungen eher noch verfestigen“.

Um unangenehme Emotionen im Helferkreis zu reflektieren, bedarf es „eines geschützten Raumes“, um einer systematischen Überforderung entgegenzuwirken. Das wesentliche Potential des an sich beachtlichen Projekts liege darin, so Meindl in ihren Schlussbetrachtungen, „die freiwillig Engagierten zu schulen und bestmöglich für den interkulturellen Kontakt zu qualifizieren, um ein Umdenken in der Bevölkerung anzustoßen und einen Grundstein für die erfolgreiche, langfristige Integration der Asylbewerber in die deutsche Gesellschaft zu legen“.

„Ich will sagen nur Gutes für sie. Die sind immer für uns da.“ – Zitat

Andrea Betz, die als Abteilungsleiterin den gesamten Flüchtlingsbereich bei der Inneren Mission verantwortet, ist dankbar für die Anregungen einer Beobachterin aus einem anderen Blickwinkel. Im Bereich der interkulturellen Schulungen konnte in der Zeit nach der Befragung (März 2015) schon vieles umgesetzt werden. Die vielfältigen Angebote und Projekte werden seit Beginn des Jahres auch von der Fachstelle Volunteering / Ehrenamt qualifiziert begleitet und organisiert. „Die Ehrenamtlichen liegen uns sehr am Herzen.“

Der originale Artikel von Klaus Honigschnabel ist erstmalig im „Diakonie Report 06/16“ erschienen.